Verfassungsbeschwerde - was gilt es zu beachten?

Christian Thome • 20. November 2023

Ihr Ansprechpartner in allen Fragen rund um das Verfassungsrecht:


Rechtsanwalt Christian Thome

thome@nonnenmacher.de

0721 / 985 22-18

Mandanten fragen uns häufig, ob es bei Vorliegen einer letztinstanzlichen Gerichtsentscheidung sinnvoll ist, noch eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht zu erheben. Viele machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Im Jahr 2022 verzeichnete das Bundesverfassungsgericht zwar einen im Vorjahresvergleich leichten Rückgang der neu eingehenden Verfahren. Im Verfahrensregister wurden aber immer noch knapp 5.000 Neueingänge erfasst. Mit einem unverändert hohen Anteil von 95 % stellen die Verfassungsbeschwerden weiterhin den größten Teil dieser Neueingänge dar, wie sich dem aktuellen Jahresbericht des Bundesverfassungsgerichts für das Jahr 2022 auf S. 48 entnehmen lässt.


Auf den ersten Blick erscheint der „Gang nach Karlsruhe“ ohne großes Risiko, weil gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a Grundgesetz „jedermann“ – d.h. ohne anwaltliche Vertretung – eine Verfassungsbeschwerde erheben kann und hierfür auch keine Gerichtskosten anfallen.




Dauer und Erfolgsaussichten von Verfassungsbeschwerden

Die anfängliche Überzeugung wird jedoch mit einem Blick auf die Dauer und die Erfolgsaussichten von Verfassungsbeschwerden schnell getrübt. Für das Bundesverfassungsgericht gibt es zudem keine gesetzlichen Vorgaben über die Dauer der Verfahren oder deren Priorisierung bei der Bearbeitung. Auch die hohen rechtlichen Hürden trüben die anfängliche Euphorie: Verfassungsbeschwerden bedürfen der Annahme zur Entscheidung (§ 93a Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG). In den allermeisten Fällen entscheidet hierüber eine Kammer (bestehend aus drei Richtern). Die Beschwerde wird nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nur dann zur Entscheidung angenommen, wenn ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt oder, wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist. In der Praxis führt dies in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle zu einer Ablehnung der Verfassungsbeschwerde durch einen Nichtannahmebeschluss.



Ursachen für die lange Verfahrensdauer und niedrige Erfolgsaussichten

Diese – auf den ersten Blick sehr ernüchternden – Umstände haben insbesondere folgende Ursachen:



Die hohen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 Grundgesetz enthaltenen Rechte verletzt zu sein. In aller Regel wenden sich Bürger gegen Gerichtsentscheidungen. In der Praxis gibt es hier sehr viele Fälle, in denen (häufig vorschnell) eine Verfassungsbeschwerde erhoben wird. Dies führt zu einer hohen Auslastung des Bundesverfassungsgerichts und zu einer langen Verfahrensdauer. Es kommen hohe Zulässigkeitsvoraussetzungen hinzu:


  • Grundsätzlich können mit der Verfassungsbeschwerde gegen Gerichtsentscheidungen nur eigene Rechte in eigenem Namen geltend gemacht werden.
  • Der Rechtsweg muss erschöpft sein, denn die Verfassungsbeschwerde ist subsidiär. Praktisch bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer alles ihm Mögliche getan haben muss, dass die Grundrechtsverletzung bereits im fachgerichtlichen Instanzenzug beseitigt wird. Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde müssen daher insbesondere alle verfügbaren Rechtsbehelfe (z.B. Berufung, Revision, Beschwerde, Nichtzulassungsbeschwerde usw.) genutzt worden sein.
  • Der Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts ist auf verfassungsrechtliche Verstöße begrenzt. Es ist keine sog. „Superrevisionsinstanz“, welche gerichtliche Entscheidungen unter allen denkbaren Gesichtspunkten umfassend auf Richtigkeit prüft. Vor allem die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts wird (im Unterschied zu den Fachgerichten) grundsätzlich nicht geprüft. Dieser wichtige Punkt wird von Bürgern häufig nicht berücksichtigt, was zu falschen Erwartungen und enttäuschten Hoffnungen führt.


Die Kombination aus dem weiten Feld der möglichen Grundrechtseingriffe, dem eingeschränkten Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts verbunden mit hohen Zulässigkeitsvoraussetzungen führt in der Praxis einerseits zu der hohen Auslastung (und Verfahrensdauer) und andererseits zu statistisch niedrigen Erfolgsaussichten.



Insbesondere: Form, Frist und Begründung der Verfassungsbeschwerde

Praxisrelevant sind vor allem folgende Punkte, die von Beschwerdeführern unbedingt berücksichtigt werden sollten. Denn die hohen formellen Anforderungen führen häufig zu einer Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde. 


Form

Verfassungsbeschwerden sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen und zu begründen (§ 23 Abs. 1 BVerfGG). Die Begründung muss umfangreiche Angaben und regelmäßig Anlagen enthalten, da diese die Grundlage einer Entscheidung bildet (vgl. § 92 BVerfGG).



Frist

Die Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der Gerichte und Behörden ist nur innerhalb eines Monats zulässig (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Auch die vollständige Begründung muss innerhalb dieser Frist eingereicht werden (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Begründung kann nicht nach Fristablauf nachgereicht werden. Eine Verlängerung der Frist durch das Gericht ist ebenfalls ausgeschlossen. Die Frist beginnt grundsätzlich mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung.



Begründung

Die Begründung ist das Herzstück einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde, weil diese die Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist. Diese muss daher unbedingt fristgerecht, ausführlich und präzise gestaltet werden. Zudem sind die für die Beurteilung der Erfolgsaussichten erforderlichen Unterlagen beizufügen. Folgender Praxistipp ist wichtig: Eine den Anforderungen entsprechende Begründung einer Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Entscheidungen setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang „substantiiert und schlüssig“ vorgetragen wird (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. Oktober 2023 – 2 BvR 1330/23 –, juris Rn. 22):


  • Dies erfordert, dass die angegriffenen Entscheidungen und andere Unterlagen aus dem fachgerichtlichen Verfahren wie zum Beispiel Schriftsätze und Gutachten vorgelegt oder inhaltlich umfassend wiedergegeben werden, soweit ohne ihre Kenntnis eine Einschätzung, ob die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben kann, nicht möglich ist.
  • Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich zudem mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll.
  • Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben zu begründen.


Diesen sehr hohen Anforderungen gerecht zu werden, ist im Hinblick auf die Monatsfrist selbst für einen erfahrenen Rechtsanwalt häufig eine große Herausforderung, die viel Aufwand erfordert. Die praktische Erfahrung bei der Erhebung von Verfassungsbeschwerden kann hier nur von Vorteil sein. Viele Verfassungsbeschwerden scheitern, weil hier nicht gut genug gearbeitet wird. Dies zeigt die auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts vorhandene Entscheidungsdatenbank anschaulich. Durch eine umfassende und überzeugende Begründung der Verfassungsbeschwerde können die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde jedenfalls erhöht werden. Eine „Erfolgsgarantie“ gibt es natürlich auch in diesem Fall nicht.



Was es im praktischen Vorgehen zu beachten gibt

Die oben genannten Probleme können häufig durch eine qualifizierte Beratung durch einen Rechtsanwalt gelöst werden. Hierbei muss zunächst im Einzelfall realistisch abgewogen und besprochen werden, ob eine Verfassungsbeschwerde eine sinnvolle Möglichkeit ist und im Einzelfall Aussicht auf Erfolg haben kann.


von Peter Sennekamp 2. Juli 2025
Gesetzesentwurf zur Beschleunigung des Wohnungsbaus beschlossen Das Bundeskabinett hat am 18.06.2025 einen Gesetzesentwurf zur schnelleren Schaffung von Wohnraum und zur Sicherung von Mietwohnungen (sog. "Bauturbo") auf den Weg gebracht. Ziel ist es, Kommunen und Baurechtsbehörden deutlich mehr Handlungsspielraum beim Bauen zu geben und den Wohnungsbau durch vereinfachte Verfahren zu fördern. Statt bisher oft jahrelanger Planung sollen künftig nur noch wenige Monate vergehen, bis neuer Wohnraum entstehen kann. Gleichzeitig wird der Schutz gegen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verlängert – ein wichtiges Signal für den Mieterschutz. Im Zentrum des Vorhabens steht eine Änderung des Baugesetzbuchs. Die neuen Regelungen sollen nicht nur den Wohnungsbau erleichtern, sondern auch begleitende soziale Infrastrukturen wie Kindertagesstätten mit einbeziehen. Besonders Bevölkerungsgruppen mit dringendem Wohnraumbedarf – darunter Familien, Auszubildende, Studierende, Senioren und einkommensschwache Haushalte – sollen davon profitieren. Zudem erwartet die Bundesregierung eine jährliche Entlastung von Verwaltung, Bevölkerung und Wirtschaft um über 2,5 Milliarden Euro. Zentrale Änderungen im Überblick:  § 246e BauGB – Bau-Turbo (neu): Erlaubt befristet ein Abweichen von bauplanungsrechtlichen Vorschriften. Wenn die Gemeinde sich entscheidet, den Bau-Turbo anzuwenden, können zusätzliche Wohnungen bereits nach einer zweimonatigen Prüfung durch die Gemeinde, ohne Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans zugelassen werden. Dies erlaubt es durch Neubau, Umbau oder Umnutzung zügig neuen Wohnraum zu schaffen. Die Regelung ist bis 31. Dezember 2030 befristet. § 31 Abs. 3 BauGB – Mehr Flexibilität im Bebauungsplan: § 31 Absatz 3 BauGB ermöglicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mehr Wohnbebauung auch über die Vorgaben des Plans hinaus. So kann beispielsweise in ganzen Straßenzügen durch Aufstockung, Anbauten oder Bauen in der zweiten Reihe neuer Wohnraum geschaffen werden. § 34 Abs. 3b BauGB – Bauen im unbeplanten Innenbereich: Auch in bislang unbebauten Innenbereichen können künftig Wohngebäude errichtet werden, selbst wenn sie sich nicht in die nähere Umgebung einfügen. Stärkerer Umwandlungsschutz: Der Schutz vor der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen wird in angespannten Wohnungsmärkten um fünf Jahre verlängert, um Mieterinnen und Mieter besser vor Verdrängung zu schützen. Vereinfachung der Nachverdichtung: Innenentwicklung wird erleichtert. Künftig dürfen in bebauten Ortsteilen auch ohne Bebauungsplan städtebauliche Vorgaben überschritten werden, etwa bei nachträglicher Aufstockung oder Hinterlandbebauung. Behutsame Öffnung des Außenbereichs: Um neuen Wohnraum zu schaffen, kann in Zukunft auch in bisher nicht bebauten Gebieten gebaut werden – jedoch nur in unmittelbarer Nähe bestehender Siedlungen und unter Beachtung von Umwelt- und Flächenschutz. Förderung gemischter Quartiere: Durch gelockerte Vorgaben zum Lärmschutz sollen mehr Wohnbauprojekte in der Nähe von Gewerbebetrieben möglich werden, beispielsweise durch innovative Schallschutzlösungen. Stärkung der kommunalen Steuerung: Die Gemeinden behalten die Entscheidungsgewalt über den Einsatz des Bau-Turbos, da sie im Baugenehmigungsverfahren zustimmen müssen. Außerdem können die Bundesländer weiterhin Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt ausweisen, um den Kommunen zusätzliche planungsrechtliche Instrumente an die Hand zu geben. Der Gesetzentwurf soll bis Herbst 2025 vom Bundestag verabschiedet werden. Da keine Zustimmung des Bundesrats erforderlich ist, kann das Gesetz zügig in Kraft treten. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Seite des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen unter https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/ge-bauturbo/bauturbo.html?nn=42820
von Peter Sennekamp 25. Oktober 2024
LBO-Novelle 2025 (Gesetz für das schnelle Bauen)
von Dominik Baier 25. Oktober 2024
Zu hohe Rückforderung von Versorgungsbezügen?
von Christian Thome 28. August 2024
Herr Rechtsanwalt Christian Thome ist als Fachanwalt für Verwaltungsrecht neben seinem Lehrauftrag an der Hochschule Kehl im Fach „Verwaltungsgerichtsprozess und Mediation“, dem Lehrauftrag an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und der Mitarbeit an dem führenden Standardwerk „Handbuch für Ordnungsämter und Ortspolizeibehörden Baden-Württemberg“ (Kohlhammer Verlag, 5. Aufl. 2023) nun auch Mitautor des Werks „Ordnungsamtspraxis“ (WEKA Media GmbH & Co. KG, Herausgeber: Uwe Schmidt). Er verantwortet im Rahmen des Werks zunächst das Schulrecht und das öffentliche Baurecht.  Weitere Informationen finden Sie hier: https://shop.weka.de/ordnungsamtspraxis https://shop.weka.de/ordnungsamtspraxis
von Heiko Graß 23. April 2024
FAQ zur sog. "Freigabe" in der Insolvenz und Darlegung der Rechte und Pflichten
von Heiko Graß, Stefan Neumann, Samuel Grether 26. Januar 2024
Am 1. Januar 2024 traten die wesentlichen Neuerungen des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) in Kraft. Mit dem MoPeG hat der Gesetzgeber in einer tiefgreifenden und umfangreichen Reform das Personengesellschaftsrecht grundlegend überarbeitet. Mehr als 140 Gesetze und Verordnungen werden durch das MoPeG geändert. Das neue Recht ist nicht nur bei der Neugründung von Personengesellschaften zu berücksichtigen, auch alle bestehenden Personengesellschaften müssen prüfen, ob die neuen gesetzlichen Bestimmungen eine Anpassung ihres Gesellschaftsvertrages, eine Änderung der Gesellschaftsform oder sonstige Maßnahmen erforderlich machen. Eine erste Übersicht über die wesentlichen Änderungen im Personengesellschaftsrecht finden Sie unter nachfolgendem Link: FAQ´s zum MoPeG Für eine Individuelle Beratung stehen Ihnen alle im Gesellschaftsrecht tätigen Anwälte von Nonnenmacher Rechtsanwälte und Steuerberater gerne zur Verfügung!
von Peter Sennekamp 8. Januar 2024
Mit dem Gesetz zur Digitalisierung baurechtlicher Verfahren vom 20.11.2023 (GBl. vom 24.11.2023, Nr. 20, S. 422 f.) sind für Baden-Württemberg einige wichtige Neuerungen in baurechtlichen Verfahren vorgenommen worden. Die wichtigsten Neuerungen sind dabei folgende: 1. Einreichung der Bauvorlagen für Baugenehmigungsverfahren und Kenntnisgabeverfahren nunmehr in elektronischer Form und nicht mehr bei der Gemeinde, sondern bei der Baurechtsbehörde § 53 Abs. 1 LBO Baden-Württemberg bestimmt nun, dass alle für die Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens oder des Kenntnisgabeverfahrens erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) und Anträge auf Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen bei der (unteren) Baurechtsbehörde einzureichen sind. Baurechtsbehörde ist bei kreisangehörigen Gemeinden in der Regel das zuständige Landratsamt oder die große Kreisstadt/Verwaltungsgemeinschaft, bei Stadtkreisen hingegen immer die Gemeinde selbst. In Ausnahmefällen können aber auch kleinere kreisangehörige Gemeinden selbst Baurechtsbehörde sein. Ein Verzeichnis über die unteren Baurechtsbehörden in Baden-Württemberg (Stand 05/2023) finden Sie hier. Die Baurechtsbehörde stellt die nach Satz 1 bis 3 eingereichten Anträge und Bauvorlagen nunmehr unverzüglich der betroffenen Gemeinde bereit. Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen sind gesondert zu beantragen. Der Bauantrag und die Bauvorlagen und auch Bauvoranfragen nach § 57 LBO sind elektronisch in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzureichen. Ab 1. Januar 2025 soll eine Einreichung in Papierform dann gänzlich ausgeschlossen sein. 2. Weitestgehender Wegfall von Angrenzerbenachrichtigung und Einwendungsverfahren Eine der wesentlichen Neuerungen besteht im weitestgehenden Wegfall des Angrenzerbenachrichtigungverfahrens. Darüber hinaus sind Einwendungen nunmehr elektronisch in Textform oder zur Niederschrift zu erheben. a. Bisherige Rechtslage Nach bisheriger Rechtslage wurden die Eigentümer angrenzender Grundstücke (Angrenzer) innerhalb von fünf Arbeitstagen ab dem Eingang der vollständigen Bauvorlagen von dem Bauvorhaben informiert und konnten sodann in der Regel innerhalb von 4 Wochen bzw. 2 Wochen bei Vorhaben im Kenntnisgabeverfahren Einwendungen erheben. Taten sie dies nicht, waren sie in der Regel mit allen Einwendungen ausgeschlossen, welche nicht rechtzeitig vorgebracht wurden (sog. materielle Präklusion). Die Benachrichtigung war nur bei solchen Angrenzern nicht erforderlich, die entweder eine schriftliche Zustimmungserklärung abgegeben oder die Bauvorlagen unterschrieben haben oder durch das Vorhaben offensichtlich nicht berührt wurden. Die Gemeinde konnte auch sonstige Eigentümer benachbarter Grundstücke (sonstige Nachbarn), deren öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange berührt sein können, innerhalb der Frist benachrichtigen. b. Neue Rechtslage Nach § 55 Abs. 1 LBO n.F. sollen die Angrenzer über Bauvorhaben neuerdings nur noch in Baugenehmigungsverfahren und nur noch dann informiert werden, wenn eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung von den Vorschriften des öffentlichen Baurechts erteilt werden soll, die zumindest auch dem Schutz des betroffenen Nachbarn dient. Dies ist allerdings in der Praxis meist nicht der Fall. Nur in diesen Fällen wird nunmehr der Angrenzer innerhalb von 5 Arbeitstagen ab dem Eingang der vollständigen Bauvorlagen durch die Gemeinde informiert. Einwendungen sind nunmehr gem. § 55 Abs. 2 Satz 1 elektronisch in Textform oder zur Niederschrift vorzubringen. In der Praxis bedeutet dies, dass auch die unmittelbaren Angrenzer künftig nur noch in Ausnahmefällen von der Gemeinde über Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück informiert werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Nachbarinnen und Nachbarn in ihren sie selbst betreffenden schützenswerten Rechten gänzlich eingeschränkt werden. Vielmehr steht allen Angrenzern und Nachbarn, welche meinen, in ihren Rechten verletzt zu sein, der Rechtsweg offen, sie können gegen die dem Nachbarn erteilte Baugenehmigung Widerspruch und nach Zurückweisung des Widerspruchs Anfechtungsklage erheben. Allerdings wird das Vorgehen dadurch erschwert, als der Nachbar von dem Baugenehmigungsverfahren unter umständen erst bei Erteilung der Baugenehmigung oder gar erst bei Baubeginn erfährt und somit in der Regel erst sehr viel später die Möglichkeit erhält, seine Rechte zu überprüfen und ggf. wahrzunehmen. Darüber hinaus entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung, so dass der Bauherr auch vor Bestandskraft der Baugenehmigung bereits mit dem Bau beginnen darf. Will man dies verhindern, muss zudem ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht gestellt werden. 3. Erteilung der Baugenehmigung in Schriftform oder elektronischer Form, Zustellung an Angrenzer § 58 Abs. 1 Satz 3 LBO sieht nunmehr vor, dass die Baugenehmigung auch in Textform gem. § 126 b BGB erteilt werden kann. Die Erteilung der Baugenehmigung in Schriftform - wie bislang - ist nicht mehr verpflichtend. Baurechtliche Entscheidungen sollen künftig elektronisch bekannt gegeben werden können. Dies ermöglicht es, digitale Baugenehmigungsverfahren medienbruchfrei, also durchgängig elektronisch durchführen zu können. Die Zustellung der Baugenehmigung an Angrenzer erfolgt nur noch dann, wenn diese Einwendungen im Baugenehmigungsverfahren erhoben und diesen nicht entsprochen wurde oder wenn deren öffentlich- rechtlich geschützten nachbarlichen Belange durch das Vorhaben berührt sein können. Es ist daher durchaus denkbar, dass in vielen Fällen die Angrenzer künftig erst durch den Baubeginn erfahren, dass eine Baugenehmigung erteilt wurde. Für weitere Beratung und Vertretung auf diesem Gebiet stehen Ihnen die auf das Verwaltungsrecht spezialisierten Anwälte von Nonnenmacher Rechtsanwälte gerne zur Verfügung!